Aylin Tezel: Auch in Deutschland werden Schauspieler ungleich bezahlt

Im TV-Film "Zwischen Himmel und Hölle" spielt "Tatort"-Star Aylin Tezel eine Nonne zu Zeiten der Reformation, die sich in einer schwierigen Welt behaupten muss. Dass es auch 500 Jahre später in Sachen Frauenrechte noch viel zu tun gibt, erklärt die Schauspielerin im Interview.
500 Jahre Reformation - Grund genug, Martin Luther einen eigenen Film zu widmen. Im TV-Film "Zwischen Himmel und Hölle" (30.10. um 20:15 Uhr im ZDF) spielt Maximilian Brückner (38) den berühmten Reformator. Die Nonne Ottilie taucht in den Geschichtsbüchern nur selten auf, dabei zeichnet ihr Schicksal ein deutliches Bild der Frauenrechte zu Zeiten Luthers. Warum ihre Darstellerin Aylin Tezel (33, "Macho Man") ihre Geschichte unbedingt erzählen wollte und was es in Sachen Feminismus immer noch zu tun gibt, erzählte sie spot on news im Interview.
Ottilie von Gersen ist die Person im Film, über die man am wenigsten weiß. Wie haben Sie die Figur entwickelt?
Aylin Tezel: Das Einzige, das wir wissen ist, dass sie eine Nonne war, die aus dem Kloster geflohen ist, sich dann dem Reformator Thomas Müntzer angeschlossen hat, seine Frau wurde und zwei Kinder geboren hat. Das sind die einzigen Fakten, die wir wissen. Wir wissen nicht einmal, wie es mit ihr zu Ende gegangen ist. Dadurch, dass wir so wenige Fakten hatten, waren wir sehr frei in der Gestaltung. Wir haben eine fiktive Figur geschaffen, so wie wir sie gerne gesehen hätten, nämlich als sehr starke und eigenständige Frau, weil wir das inspirierend finden.
Haben Sie sie also bewusst als eher moderne Frau dargestellt?
Tezel: Dem Regisseur Uwe Janson war es wichtig, dass wir Ottilie als eine emanzipierte und für die damalige Zeit unglaublich moderne Frau zeigen. Es hat ihn sehr interessiert wie der Einfluss der Frauen auf die Männer war - also der Katharina von Bora auf Luther und Ottilie auf Müntzer - weil wir davon ausgehen, dass es damals unglaubliche viele kluge Frauen mit revolutionärem Geist gab, die sich aber aufgrund der Stellung der Frau zu dieser Zeit kein Gehör verschaffen konnten.
War diese Stärke der Figur ein Anreiz, diese Figur zu spielen?
Tezel: Uwe Janson, mit dem ich ja schon "Aschenputtel" gedreht hatte, hat mich sehr früh zu diesem Projekt hinzugeholt und mir beide Rollen angeboten, Katharina und Ottilie. Ich fand die Reise, die Ottilie macht, so spannend: Diese Nonne, die am Anfang noch so hörig ist und dann ausbricht und damit ein großes Risiko eingeht, und sich dann langsam zu einer eigenständigen, emanzipierten Frau entwickelt. Man darf nicht unterschätzen, wie gefährlich und mutig das war, was sie getan hat, denn als entlaufene Nonne war man vogelfrei. Das heißt, sie hatte ab dem Moment keine Rechte mehr, auch kein Recht auf ihr Leben. Ich hatte sofort Lust, dieser Frau ein Gesicht zu geben.
Wenn man als Frau diesen Film ansieht, ist man dankbar, im Hier und Jetzt zu leben und nicht vor 500 Jahren. Aber Baustellen gibt es immer noch.
Tezel: Es gibt immer noch absolut viele Baustellen. Wenn man sich nur anschaut, dass es immer noch so ist, dass die Frau, die in der gleichen Position wie ein Mann arbeitet, so viel weniger Gehalt bekommt. Das zieht sich durch alle Gewerbe und Berufsgruppen. Wenn man bedenkt, dass es für eine Frau sowieso schon schwierig ist, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen und sie dann noch finanzielle Nachteile hat, sage ich ganz klar: Da muss sich was ändern.
In Hollywood gab es ja gerade erst diese Diskussion über das große Gehaltsgefälle. Sehen Sie dieses Problem auch in der deutschen Schauspielbranche?
Tezel: Absolut. Ich bekomme auf jeden Fall mit, dass Schauspielerinnen generell schlechter bezahlt werden als Schauspieler. Ich rede natürlich nicht von den fünf bis zehn Hochverdienern, sondern vom Durchschnitt.
Der Film zeigt, wie nötig die Kirche eine Reformation hatte. Aber stimmt das heute nicht auch noch?
Tezel: Ich glaube, dass es ununterbrochen eine Reformation geben müsste. Ich persönlich finde es schwierig, an Glaubenssätzen festzuhalten, die vor so vielen Jahren entstanden sind, als unsere Gesellschaft noch eine ganz andere war. Als Menschen und als Gesellschaft müssen wir uns ständig neu hinterfragen, reflektieren und dazulernen, um auf gute Art und Weise miteinander leben zu können.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zur Kirche?
Tezel: Ich habe kein persönliches Verhältnis zur Kirche, weil ich kein persönliches Verhältnis zur Religion im Allgemeinen habe. Ich habe Werte, an die ich glaube und für die ich mich einsetze. Das sind Werte von Toleranz, Offenheit und einem freien Geist, von Familie, Freundschaft und einer menschlichen Gemeinschaft. Viele dieser Werte finden auch in den verschiedenen Religionen statt. Ich verurteile keine Religion, weil ich sie nicht genug kenne und mich nicht mit ihnen beschäftigt habe. Es ist schön, wenn Leute an etwas glauben können, das ihnen in schwierigen Zeiten Trost spendet. Aber ich halte nichts von zu vielen Verboten oder einer moralischen Gefangenschaft.