Dominik Graf über seine "reichen Leichen"

Mit "Die reichen Leichen" hat sich Regisseur Dominik Graf einen persönlichen Traum erfüllt und einen Film über Starnberg gemacht. Entsprechend viel Lokalkolorit haftet dem kantigen Krimi auch an - dabei stammt der Autor Sathyan Ramesh gar nicht aus Bayern. spot on news traf die beiden Filmemacher zum Interview.
"Der Kini wird im See gefunden..." Dominik Graf (62) lässt in seinem neuen Film "Die reichen Leichen" (18.10., 20.15 Uhr im BR) König Ludwig II. noch einmal sterben. Dabei gibt es in Bayern genug Menschen, die seinen ersten Tod noch nicht überwunden haben. Stecken etwa die königstreuen Ludisten hinter der Mordserie, die Starnberg erschüttert? Wie man darauf kommt, ausgerechnet den Kini zum Zentrum eines Krimis zu machen, erzählen Regisseur Graf und Drehbuchautor Sathyan Ramesh (Jahrgang 1968) im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news.
Wessen Idee war es, König Ludwig zum Thema des Films zu machen?
Sathyan Ramesh: Dominik Graf, die BR-Redakteurin Stephanie Heckner und ich wissen heute gar nicht mehr, wer von uns die Idee hatte. Auf jeden Fall schwebte zwischen uns der Satz: "Der Kini wird im See gefunden." Der treibt also tot im See, und aufgrund dieser Prämisse habe ich versucht, eine Geschichte zu erfinden. Dabei stieß ich sehr schnell auf diese unglaublich leidenschaftlichen Ludwig-Forscher, die mich viel mehr interessiert haben als Ludwig selbst. Das Phänomen, dass Menschen sich nach 130 Jahren noch so für einen Menschen aufopfern, dem sie nie begegnen konnten, hat mich zutiefst gerührt.
Wie im Film treten auch diese Forscher nur mit dunklen Umhängen in Erscheinung...
Ramesh: Richtig, aber wir haben sie bewusst umbenannt. Die Guglmänner, wie sie in Realität heißen, wurden bei uns zu Ludisten. Weil wir unseren Ludisten verbrecherische Aktivitäten unterstellen und gleichzeitig aber großen Respekt vor der Liebe der Guglmänner zum König haben, haben sie einen anderen Namen bekommen.
Dominik Graf: ... aber wir fürchten dennoch ihre Rache.
Diese Verehrung von Ludwig ist zwar liebevoll, hat aber auch etwas Fanatisches.
Graf: Absolut, das ist hochneurotisch. Die eigene Meinung dazu ist quasi das Lebenselixier, Widerspruch wird nicht zugelassen. Da könnte man sich unglaubliche Wirtshausschlägereien vorstellen. Die durchaus berechtigte Frage wird im Film ja auch gestellt: "Wieso glaubt eigentlich jeder Ludwig-Forscher, er hat recht?"
War es schwer, an diese Experten heranzukommen?
Graf: Bei der Motivsuche sind wir am Strand des Starnberg.r See entlang gegangen und sofort auf jemanden gestoßen, der uns in einem zehnminütigen Monolog die "eigentlich wahre Wahrheit" über Ludwig erzählt hat. Das hat uns doch sehr beeindruckt.
Eine Figur kommt durch ein zu schnell fahrendes Auto zu Tode, was nie aufgeklärt wird. Eine kleine Botschaft in Richtung Raser?
Ramesh: Es ist einfach ein Starnberg.r Phänomen. An der einen Stelle sterben Leute durch Raser, und an der anderen steht man stundenlang im Stau, das ist in Starnberg einfach so. Alles, was wahr ist, wollten wir auch im Film darstellen.
Graf: Beim Dreh haben wir selbst erlebt, dass an bestimmten Straßen einfach ein Wildwest-Verkehr herrscht.
Herr Graf, was hat Sie ursprünglich dazu bewogen, den Film zu machen?
Graf: Für mich ging es um Starnberg. Ich wollte dort schon immer mal etwas machen, weil wir, die wir hier geboren sind, das alle kennen. Doch aus irgendeinem Grund hat man noch nie einen Film darüber gesehen. Und auch Sathyan, der ja kein Münchner ist, sondern gebürtig aus Köln kommt, ist zu Starnberg sofort dermaßen viel eingefallen.
Was fällt Ihnen denn als erstes zu Starnberg ein?
Graf: Diese herrliche Betonpromenade. Die liebe ich seit meiner Kindheit.
Ist es hilfreich, wenn der Autor von außerhalb stammt und damit einen anderen Blick auf alles hat?
Graf: Natürlich, das kann durchaus förderlich sein. Das kann den Blick etwas klarer und geschärfter machen, als wenn man jahrelang so nah dran ist.
Herr Ramesh, was hat Sie an Starnberg und an der Geschichte gereizt?
Ramesh: An Starnberg faszinieren mich die Kontraste, die dort aufeinanderprallen. Darauf wurde ich von Dominik schon vorbereitet. Bei meinen Recherchen habe ich erfahren, dass die Starnberg.r nicht in Starnberg einkaufen, sondern in München, so dass die lokalen Geschäfte pleite gehen. Dieser Kontrast zu den Reichen, die dort gut leben, aber wenig in die Gemeinde einbringen, hat mich beeindruckt. Bei der Geschichte war es einfach diese Liebe zu König Ludwig. Liebe, besonders unglückliche Liebe, ist immer mein Antrieb, eine Geschichte zu erzählen.