"Grzimek": So war der Tierfreund Bernhard Grzimek wirklich

Ein Leben für den Natur- und Artenschutz, auch auf Kosten des eigenen Privatlebens. Dieses Bild zeichnet der TV-Film "Grzimek" von Bernhard Grzimek. Sein Enkel Christian erinnert sich im Interview mit spot on news, wie sein Großvater wirklich war.
Ganz Deutschland kannte ihn als den netten Mann im Anzug, der in der TV-Sendung "Ein Platz für Tiere" (1956-1987, ARD) seine possierlichen Tierchen aus dem Frankfurter Zoo präsentierte - von der Kröte bis zum Leoparden. Der TV-Film "Grzimek" (3. April, 20.15 Uhr im Ersten mit anschließender Dokumentation) zeichnet ein anderes, komplexeres Bild, als das vom freundlichen Tieronkel Bernhard Grzimek (1909-1987), und scheut auch nicht davor zurück, schonungslos seine Schwächen zu sezieren. Hier ist Grzimek, gespielt von Ulrich Tukur (57), ein widersprüchlicher Charakter, der sich mit Leidenschaft, aber ohne Sentimentalität für Tiere einsetzt. Während er seine Arbeit verbissen verfolgt, lässt er seine Familie zerbrechen...
Faktisch nahe an der Realität
Dass ein filmisches Porträt sich nicht akribisch an die Fakten halten kann, liegt auf der Hand. Das Bild des unterkühlten Mannes, der seinen Adoptivsohn vernachlässigte und seine Frau mit Affären quälte, wird für viele Zuschauer, die sich an den kontrollierten Tieronkel mit der ruhigen Stimme erinnern, ernüchternd sein. Doch auch wenn einiges fiktiv sei, da bei den Dialogen nur die Betroffenen dabei waren, sei der Film in den faktischen Abläufen "schon sehr nahe dran", wie Christian Grzimek der Nachrichtenagentur spot on news bestätigt.
Der 55-Jährige ist der Enkel von Bernhard Grzimek. Nachdem dessen Sohn Michael Grzimek (1934-1959) bei den Dreharbeiten zu "Die Serengeti darf nicht sterben" (1959) ums Leben kam, heiratete Bernhard die Witwe seines Sohnes und adoptierte ihre beiden Söhne. Für Christian Grzimek war Bernhard beides, Vater und Großvater, wie er spot on news erzählt. Er beschreibt ihn als disziplinierten Mann, der gut managen konnte und auch seine eigene Liebe für Tiere prägte.
"Wir sind das Karzinom dieses Planeten. Wir wachsen in unserer Masse, mit unseren Industrien, mit allem. Bis der Wirt, der uns versorgt, zusammenbricht", bei Aussagen wie diesen hört man seinen Großvater aus Christian Grzimek sprechen. Denn auch er hatte eine sehr pessimistische Sicht auf die Entwicklung der Natur und deren Zerstörung auf Raten. Was ihn nicht davon abhielt, sich unablässig für den Schutz der Arten und der zahlreichen Nationalparks einzusetzen, die er etabliert hat und die bis heute durch die von ihm gegründete Zoologische Gesellschaft Frankfurt unterstützt werden.
Dem Eindruck, sein Großvater sei zwar Tier-, aber kein Menschenfreund gewesen, widerspricht er dennoch. "Wir haben immer ein tolles Verhältnis gehabt. Ich habe sehr viel Zeit mit ihm verbracht, schließlich war ich auf allen Reisen mit ihm unterwegs." Ab seinem elften Lebensjahr begleitete er seinen Großvater jedes Jahr über mehrere Monate nach Afrika. Dass der Oscar-Preisträger (1960) auf viele Menschen unnahbar wirkte, kann der Enkel nachvollziehen, "denn er war sehr groß und schlank, hatte einen aufrechten Gang und trug fast immer Anzug und Krawatte. Das beeindruckte die Leute natürlich".
Tierliebe ohne Gefühlsduselei
Bei aller Leidenschaft für seine Arbeit habe Grzimek für Gefühlsduselei allerdings wenig übrig gehabt. "Er war zwar tierlieb, war aber letztendlich Veterinärmediziner und hat das Thema Tier- und Artenschutz sehr pragmatisch betrachtet", sagt Christian Grzimek. "Er hat zum Beispiel auch Fleisch gegessen, was viele Menschen gar nicht glauben wollen. Was er immer vollkommen abgelehnt hat war, Tiere zu vermenschlichen."
Energisch war er in seinem Bestreben, für den Artenschutz zu werben, auch im direkten Kontakt. "Er sagte immer, er müsse das machen wie ein Pfarrer, der seine Religion verbreitet, nur sei er als Naturschützer längst nicht so erfolgreich, wie es die katholische Kirche sein kann", erzählt Christian Grzimek. Leuten, die an seinen Themen interessiert waren, habe er seine Meinung ohne Punkt und Komma kundgetan. "Noch über zehn Jahre nach seinem Tod konnte man seine Spazierwege in Frankfurt verfolgen. Denn es gab kaum einen Laternenpfahl den er auf seinen Wegen nicht mit den Werbeaufklebern der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft geschmückt hatte."
Grzimeks Befürchtung, er und seine Arbeit würden nach seinem Tod rasch in Vergessenheit geraten, hat sich nicht bewahrheitet. Dagegen sprechen nicht nur die Nationalparks Serengeti und Bayerischer Wald, sondern auch die Stiftungen, die sie bis heute am Leben erhalten. Auf die Frage, wie man sich an seinen Großvater erinnern solle, antwortet Christian Grzimek. "Ich hoffe, dass man ihn mit Natur- und Artenschutz in Verbindung bringt. Und dass wir über alles, was wir tagtäglich machen, nachdenken - zum Beispiel, ob es gerade wirklich nötig ist, mit 180 km/h über die Autobahn zu fahren. Es wäre schön, wenn er uns hier nachhaltig ins Gewissen wirkt."