So wird der Stuttgarter "Tatort: Der Inder"

Das kontroverse Bauprojekt Stuttgart 21 sorgt seit Jahren für Debatten, Demos, Wutbürger - und im "Tatort" jetzt auch für Mord.
Eigentlich war die Geschichte für den Stuttgarter "Tatort" längst überfällig. Schließlich wurde Stuttgart 21 nicht nur lokal zum Politikum, sondern bundesweit zum Thema. Mit "Der Inder" spannt der "Tatort" nun endlich einen Mordfall um das kontroverse Bauprojekt.
Worum geht es?
Der ehemalige Staatssekretär Jürgen Dillinger wird beim Joggen erschossen. Kurz zuvor hatte er in einem Untersuchungsausschuss ausgesagt, der einem Bauskandal im Zusammenhang mit Stuttgart 21 nachgeht. Der ehrgeizige Architekt Busso von Mayer (Thomas Thieme) hatte auf dem Stuttgart-21-Gelände mit Hilfe eines indischen Investors und einer Landesbürgschaft ein visionäres Bauprojekt geplant. Der Investor entpuppte sich als Hochstapler, das Projekt scheiterte. Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) fragen sich, wer von dem geplatzten Deal profitierte und ermitteln in ihrer in Bezug auf Stuttgart 21 leicht erregbaren Stadt.
Lohnt sich das Einschalten?
Ja - für Thriller-Fans. Der Nicht-Stuttgarter Niki Stein, der mit "Der Inder" seinen ersten "Tatort" seit neun Jahren drehte, ist ein visuell versierter Geschichtenerzähler mit dem einen oder anderen cineastischen Trick im Ärmel. Quentin Tarantino wird nicht nur in der Story erwähnt, sein Einfluss spricht auch aus der nicht-linearen Erzählweise.
Denn Stein hat seine Geschichte um unlautere Bau-Deals und undurchsichtige Politiker kurzerhand in den Häcksler gesteckt. Die anfangs irritierenden Zeitsprünge erfordern die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers. Auch die Mördersuche verschwindet damit unter einem stilistisch attraktiven, aber narrativ verworrenem Netz aus Verhören und Rückblenden.
Wem es nicht allein ums Krimi-Knobeln, sondern um das "Whodunnit" geht, darf sich an einem ansehnlichen Thriller und einer differenzierten Geschichte rund um das Projekt Stuttgart 21 erfreuen, die das gesamte Spektrum der Reaktionen auf das Bauprojekt abdeckt - vom Farbbeutel werfenden Wutbürger über den visionären Architekten bis hin zum latent genervten Kommissar, der schlicht keine Lust mehr auf Dauerstau hat.
Fazit
Wer nicht vor einer komplexen, verschachtelten Geschichte zurückschreckt und auf Toilettenpausen verzichten kann, um bei den Zeitsprüngen nicht den Faden zu verlieren, wird gut unterhalten sein. Wer lieber wieder mehr über das Privatleben der Kommissare erfahren möchte und von dem Thema Stuttgart 21 die Nase voll hat, wird bei diesem "Tatort" schlecht bedient.