Stars, nacktes Fleisch und jede Menge Kohle

Eine gigantische Rauchwolke verdunkelt den deutschen TV-Samstagabend. Auf dem attraktivsten Sendeplatz, den das ZDF zu vergeben hat und auf dem einst Thomas Gottschalk mit "Wetten, dass ...?" Fernsehgeschichte geschrieben hat, bittet die Mainzer Anstalt nun zur "Großen Grillshow".
Das ZDF hat für "Die große Grillshow" ein ganzes Stadion belegt,zwar nicht die Münchner Allianz Arena, doch immerhin dieGerry-Weber-Multifunktionsarena (Fassungsvermögen: 12.500Zuschauer) im westfälischen Halle: Tennisheroen wie einst BorisBecker haben dort so manche Schlacht geschlagen. Pop-Star JamesBlunt wird dort demnächst ein Konzert geben (10.8.). Doch an diesemSamstagabend ab 20.15 Uhr geht es um die Wurst. Oder das Steak.Oder den Steckerlfisch.
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Und während die Rauchschwaden durch die Grill-Arena ziehen undsich vor den TV-Geräten Millionen Zuschauer möglicherweise dieLippen lecken, geht es im Stadionrund um nicht weniger als um diePrestigefrage: Wer grillt am besten? Deutschland, Österreich oderdie Schweiz. Welche Nation, so fragt die ZDF-Pressestellefieberhaft, holt den "Grillpokal nach Hause"?
Das klingt so spannend wie ein Feierabend mit Dosenbier,angekohltem Schweinebauch und Nudelsalat. Doch offenbar ist dieklassische Fernsehunterhaltung am Samstagabend ein Relikt ausvergangenen Zeiten, als Gottschalk noch eine zweistelligeMillionenquote mit witzigen Wetten und Weltstars erzielte. AllesGeschichte.
Heute wird mit der heißen Luft, die aus einer Küche kommt, Quotegemacht. Auf allen Kanälen wird geschnibbelt und gebrutzelt. Köchesind die neuen Halbgötter in Weiß, obwohl besonders biestigeKritiker behaupten, dass es einigen von ihnen am Herd das Hirneingetrocknet hat. Mittlerweile ist die Studioküche längst zu kleinfür den Kochrausch der Fernsehgewaltigen. Da muss dann schon dasGerry-Weber-Stadion, benannt nach dem westfälischenModeunternehmen, gefüllt werden.
Der Aufwand, den das ZDF mit seiner länderübergreifendenGrillshow veranstaltet, ist imposant. Auf der Suche nach dem besten"Eurovisions-Grill-Team" treten jeweils drei Prominente für ihrLand an den Grill: Als da wären Verona Pooth (ehemals Feldbusch,Spinatmodel), Wigald Boning ("Die Doofen") und KatrinMüller-Hohenstein (Fußballreporterin) für Deutschland; LarissaMarolt (die herrlich hysterisch Coole aus dem "Dschungelcamp"),Barbara Wussow (früher mal "Schwarzwaldklinik") und ChristinaStürmer (Schlager made in Austria) für Österreich; Christina Surer(Model und Autorennfahrerin), Max Moor (Bauer undKulturscharfrichter von "Titel, Thesen, Temperamente") Nik Hartmann(eidgenössisches TV) für die Schweiz.
Moderiert wird das Ganze vom TV-Senkrechtstarter Horst Lichterund der österreichischen Moderatorin Mirjam Weichselbraun. ZuLichter sollte man noch anmerken, dass seine hervorstechendenEigenschaften ein Megaschnurrbart sowie ein nie versiegenderrheinischer Frohsinn sind. Er wurde vom Bergmann zum Koch undFernsehstar umgeschult, und es gibt im deutschen Fernsehen - malabgesehen von "Tagesschau", "Wort zum Sonntag" und "Heute Journal"- kaum noch eine Sendung, zu der Lichter nicht seinen Senfbeisteuert. Er ist, so kann man es durchaus sehen, dieEntertainmententdeckung der letzten Jahre, was auch für den Zustanddes deutschen Qualitätsfernsehens spricht.
Über allem thront der Vorgriller Johann Lafer, ein wirklicherKochkünstler, den man überall, nur nicht am Grill vermutet. Unterseiner Anleitung sollen laut ZDF "neben der Zubereitung klassischerFleischvarianten ungewöhnliche Utensilien verwendet und nie geahnteKombinationen zusammengestellt" werden.
Verkostet und geprüft wird jeder Gang von einer Jury, derkompetente TV-Köche angehören: Alexander Herrmann (Deutschland),Sarah Wiener (Österreich) sowie Grill-Experte Ulrich Bernold,besser bekannt als "Grill-Ueli" (Schweiz). In allen drei Ländernwird es zusätzliche Grill-Partys geben, die während der Sendunglive zugeschaltet werden. Dann melden sich aus Hamburg JudithRakers ("Tagesschau") und Ali Güngörmüs (Sternekoch), aus WienAndreas Wojta (TV-Koch) und Alexander Fankhauser (Kochautor) undaus der Schweiz Andreas C. Studer (TV-Koch) und Sven Epiney(TV-Moderator). Damit während der 150-minütigen Grillorgie niemandin den Rauchschwaden entschlummert, sorgen Revolverheld und MarlonRoudette für die musikalische Untermalung.
Die ZDF-Grillshow lief im vergangen Jahr zum ersten Mal -erfolgreich den Zahlen nach. 3,38 Mio Zuschauer (15,2 Prozent)schalteten zu: Platz eins, vor den Blockbustern "Sommer in Orange"und "Hangover". Die "Frankfurter Rundschau" schrieb: "Deutschlandsgrößte Grillshow hieß die Sendung, mit der das ZDF am Samstagabenddie Geduld des Gebührenzahlers reichlich testete. Im Angebot warenzweieinhalb Stunden Fast-Food-TV mit gleichermaßen hoherPromidichte wie niedrigem Anspruch."
Horst Lichter, der Mann, der hauptsächlich für den Humorzuständig ist, kündigte seinen Kumpel Johann Lafer an: "Isch kennJrillkohle, die sisch freiwillisch anzündet, wenn dieser Mannkommt." Und die Co-Moderatorin Miriam Weichselbraun riet denZuschauern: "Machen Sie ein Bier auf, den Grill an." Und denFernseher aus? Um mit Lichter zu antworten: Ejaal, et kütt wie etkütt. Auf gut Deutsch: Dran bleiben!