Platzt bei Ferrari der Knoten?
Wir haben die zehn Teams in Portimao auf Neuigkeiten abgecheckt. Lance Stroll steht nach der Corona-Erkrankung in der Kritik. Um die Williams Fahrer gibt es Wechselgerüchte. Und Ferrari will mit einem letzten Upgrade an die Spitze des Mittelfeldes.
Donnerstag ist der PR-Tag vor einem Grand Prix, an dem sich alle Fahrer der Presse stellen müssen. Der Star ist in Portimao aber die Rennstrecke, die wie Mugello vor sechs Wochen völlig neu im Kalender ist. Einige Piloten kennen das Autodromo do Algarve aus kleineren Rennserien. Für viele ist die Strecke absolutes Neuland.
Während Mercedes hier seinen siebten Konstrukteurs-Titel in Folge sicherstellen kann, geht es für Ferrari ums Aufholen. Der letzte Teil des dreiteiligen Upgrades soll den Vize-Weltmeister wieder an die Spitze des Mittelfeldes bringen. Hier ist unser Streifzug durch die zehn Teams:
Mercedes
Mercedes steht vor seinem Konstrukteurs-Titel in Serie. Er könnte schon beim zwölften von 17 Rennen fixiert werden. Lewis Hamilton applaudiert: "Ich bin stolz, Teil eines solchen Teams zu sein, dass jedes Jahr die Messlatte noch ein bisschen höher hängt. Nicht einmal zwei Regeländerungen konnten uns aus der Bahn werfen." Und er droht der Konkurrenz bereits: "Eines unser Genies hatte schon wieder eine Idee, uns nächstes Jahr wieder einen Schritt vorwärts zu bringen." Das riecht nach einem weiteren aufregenden Technikelement wie die aktive Spurverstellung in dieser Saison.
Hamilton schiebt die Vertragsgespräche weiter auf. "Priorität hat, meinen Job für dieses Jahr zu erledigen. Irgendwann werden sich Toto und ich zusammensetzen und schauen wie wir weiter zusammenarbeiten können. Ist es eine Formalität? Vertragsgespräche sind nie einfach. Ich will bei diesem Team bleiben und habe mit keinem anderen gesprochen." Valtteri Bottas geht tapfer in die unlösbare Aufgabe, 69 Punkte gegen einen fast unfehlbaren Gegner aufzuholen. Das Problem dabei: "Lewis hat nicht viele schlechten Wochenende, und wenn er eins hat, dann ist er immer noch sauschnell."
Ferrari
Ferrari schließt sein Upgrade-Programm mit einem neuen Diffusor ab. Wenn sich die Neuentwicklung im Freitagstraining bewährt, bleibt sie am Auto. Entwicklungschef Enrico Cardile erklärt: "Unser Ziel ist es, am Ende der Saison wieder dort zu stehen, wo wir am Anfang waren. In der zweiten und dritten Startreihe. An der Spitze des Mittelfeldes. Alle liegen innerhalb von zwei Zehnteln. Wir hoffen, dass unsere Upgrades diesen Unterschied ausmachen. Es ist wichtig, dass die Konzepte funktionieren, weil sie für 2021 übernommen werden müssen."
Cardile verrät, dass Ferrari seine beiden Token für 2021 im Bereich des Hecks nehmen wird. Einer davon soll das Getriebe betreffen. Der sechste Platz in der Konstrukteurs-WM schmerzt den Ferrari-Mann, auch wenn er für nächste Saison mehr Windkanalzeit bedeuten würde. "Mir wäre lieber, noch ein paar Positionen gutzumachen", räumt Cardile ein.
Charles Leclerc kennt die Strecke in Portimao von einem Formel-3-Rennen 2015. Für Sebastian Vettel ist sie absolutes Neuland: "Ich habe Aufnahmen aus Sicht der Bordkamera mit schnellen Autos gesucht, aber nicht viel gefunden. Dann bin ich in den Simulator, um zu lernen, in welche Richtung ich lenken muss." Der Ex-Weltmeister verspricht, dass er bis zum Saisonende wieder zu seiner gewohnten Form zurückfinden will. Was genau schief läuft, bleibt diffus. "Unter den Umständen ist es für mich nicht die einfachste Saison, immer das zu geben, was ich kann. Bevor das nächste Kapitel aufschlage, will ich das alte aber in Würde beenden."
Red Bull
Alexander Albon wurde in Portimao einmal eine Pole Position aberkannt, weil nicht genug Benzin im Tank war. Max Verstappen kennt die Strecke von einem verregneten GT-Test im Januar. Da war noch gar nicht bekannt, dass Portimao einmal Gastgeber eines Formel-1-Rennens sein wird. Albon warnt davor, dass die Streckenbegrenzungen in den Kurven 1 und 4 Probleme machen werden. "Vor allem in der Qualifikation, wo man das letzte Hundertstel sucht, kann das kritisch werden."
Beide Fahrer loben die Fortschritte, die der RB16 gemacht hat. Front und Heck fühlen sich wieder wie ein Paket ohne Eigenleben an den beiden Enden an. Red Bull will vor Ende der Saison noch ein weiteres Upgrade bringen, während Mercedes längst mit Volldampf am 2021er Fahrzeug arbeitet. Verstappen verteidigt die Red Bull-Taktik: "Was wir heute lernen, wird auch morgen für uns funktionieren. Der Mercedes-Weg würde uns nichts bringen."
Racing Point
Lance Stroll ist wieder da und musste sich gleich rechtfertigen. Der Kanadier hatte sich unter mysteriösen Umständen am Nürburgring durch die Hintertür verabschiedet. Mit Symptomen, die laut Team nicht auf eine Corona-Erkrankung schließen ließen, im Rückblick aber doch so gravierend waren, dass man noch an der Rennstrecke zwingend einen Test hätte machen müssen.
Stattdessen flog Stroll im Privatjet zurück in die Schweiz und wurde dort noch am Sonntagabend positiv auf Covid 19 getestet. Wie auch sein Vater. Am Montag dieser Woche wurde der Sohn des Teambesitzers neu getestet, diesmal negativ. Trotz zehn Tagen Quarantäne fühlt sich der Heimkehrer "großartig". Er habe zum Ende der Isolation sogar etwas Krafttraining gemacht und einige Kilometer auf dem stationären Fahrrad abgestrampelt.
Plötzlich spricht Stroll davon, dass er nur leichte Symptome gehabt hätte. Sie waren immerhin schwer genug, dass er nicht in der Lage war, sich am Nürburgring ins Auto zu setzen und zu fahren. Stroll redet sich jetzt damit heraus, dass er ähnliche Magenprobleme schon nach dem GP Russland hatte und bis zum Nürburgring zwei Mal negativ getestet wurde.
Deshalb gab es in Absprache mit seinem Arzt auch keinen Verdacht, dass er Corona haben könnte. "Wir haben uns an alle Covid-Protokolle gehalten", beugt Stroll der aufkommenden Kritik vor. Außerdem habe er keinerlei Kontakt mit Teammitgliedern vor seiner Abreise gehabt.
Teamkollege Sergio Perez hat seine Corona-Episode bereits hinter sich. Der Mexikaner arbeitet immer noch an seiner Zukunft, will aber nichts dazu sagen. Nur so viel. Fahrer wie er und Nico Hülkenberg verdienen einen Platz in der Königsklasse.
Williams
George Russell lobt den Fortschritt des Teams. "Im Vergleich zum letzten Jahr haben wir uns klar gesteigert. Wir kämpfen jetzt mit Haas und Alfa Romeo, und hin und wieder hatten wir sogar schon WM-Punkte vor Augen. Die Richtung stimmt. Die neuen Besitzer investieren auch massiv Geld in das Team."
Gerüchte, dass die Cockpits der Fahrer nach dem Besitzerwechsel in Gefahr sind, lassen George Russell und Nicholas Latifi kalt: "Ich habe einen Vertrag mit dem Team für 2021. Daran hat sich nichts geändert, seit das Team neue Besitzer hat. Deshalb mache ich mir auch keine Sorgen." Latifis Antwort ist eine Kopie.
Russell wundert sich nicht, dass auf dem Fahrermarkt eifrig spekuliert wird. "Es sind so viele gute Fahrer ohne Vertrag auf dem Markt, von Perez über Hülkenberg und die Haas-Piloten. Da ist es normal, dass sich die Leute Gedanken machen." Eine der Spekulationen war, dass Sergio Perez mit seinen mexikanischen Sponsoren zu Williams stoßen könnte.
Renault
Daniel Ricciardo hat gute Erfahrungen an Portimao. Auf dieser Strecke hat er 2009 mit einem Podium und einem fünften Platz seinen Formel-3-Titel gesichert. "Ich werde heute Nachmittag noch die Strecke zu Fuß ablaufen, um meine Erinnerung aufzufrischen", kündigt Ricciardo an. Das Überholproblem sieht er noch nicht so dramatisch. "Wenn die letzte Kurve für alle mühelos voll geht, sollte man sich auch im Windschatten halten und mit DRS vorbeifahren können."
Esteban Ocon kennt von Portimao nur die Kartstrecke hinter der großen Haupttribüne. "Ich konnte damals die Formel-1-Autos nur hören und habe geträumt, eines Tages auf der anderen Seite der Tribüne zu fahren." Der Dreikampf um Platz 3 geht in Portugal in seine zwölfte Runde. Sechs Punkte trennen Renault, McLaren und Racing Point. Ricciardo glaubt, dass sich das Rennen um die Bronzemedaille über zwei Faktoren entscheidet. "Erstens gute Starts. Die Position auf der Strecke ist heute so wichtig. Zweitens Zuverlässigkeit. Es würde vieles leichter machen, wenn wir immer beide Autos in Ziel bringen würden."
Esteban Ocon würde das unterstreichen. Der Franzose blieb bereits drei Mal mit Defekten stehen. Ocon freut sich schon auf die Ankunft von Fernando Alonso. "Fernando ist letzte Woche unser Auto gefahren und hat an den Meetings beteiligt. Es ist eine dritte Meinung zu dem Auto, und sie ist sehr wertvoll."
Alpha Tauri
Pierre Gasly schoss sich zwei Tage lang im Simulator auf Portimao ein. "So viele blinde Kurven! Beim ersten Mal hatte ich keine Ahnung, in welche Richtung ich abbiegen soll." Im Kampf um Platz 6 mit Ferrari fehlen Alpha Tauri noch 13 Punkte. Gasly spricht von einer schweren, aber nicht unlösbaren Aufgabe: "Wir müssen mindestens zwei Punkte pro Rennen aufholen. Das ist eine schwere Aufgabe, weil Ferrari laufend neue Teile bringt und sich gesteigert hat. Aber wir sind nicht meilenweit weg. Ferrari hat gute Schritte in mittelschnellen Kurven gemacht. Da müssen wir besser werden. In langsamen Kurven funktioniert unser Auto gut."
Auch rund um die Alpha-Tauri-Piloten gibt es Gerüchte. Daniil Kvyat hört sich bereits auf dem Markt um, weil Honda-Schützling Yuki Tsunoda vor der Tür steht. Gasly wird bereits zu Renault geschrieben. Der Franzose winkt ab: "Ich bin happy bei Alpha Tauri. Wir haben mehr Punkte geholt als jemals zuvor in den ersten elf Rennen. Das Team macht einen super Job. Wo ich nächstes Jahr fahre, entscheide sowieso nicht ich, sondern Red Bull."
Haas
Vor einer Woche bekamen Romain Grosjean und Kevin Magnussen den blauen Brief von ihrem Team. Für Grosjean kam es überraschend, dass gleich beide Fahrer ausgetauscht werden. "Einen hätte ich erwartet. Aber nachdem mir Guenther Steiner die Gründe erklärt hat, verstehe ich die Entscheidung. Die Covid-Krise ist für alle Unternehmen hart. Das Team musste aus finanziellen Gründen so reagieren."
Es gab auch kein Nachtreten nach der schlechten Nachricht. "Ich hatte vier gute Jahre bei Haas, habe in einem jungen Team viel gelernt. Das hat mich zu einem besseren Rennfahrer gemacht." Grosjean war ein Mann der ersten Stunde. "Jede Story geht irgendwann zu Ende. Jetzt sind wir dort angelangt. Es war eine schöne Zeit, auch wenn ich mir die letzten zwei Jahre besser gewünscht hätte."
Beide Fahrer schauen sich bereits auf dem Markt um. Die Chancen, die Karriere in der Formel 1 fortzusetzen, sind eher gering. Magnussen hofft noch: "Ich bin offen für alles. IndyCar zum Beispiel wäre cool. Ich glaube aber, dass ich der Formel 1 noch viel bringen kann. Ich bin ja erst 28 Jahre alt. Aber ich weiß auch, dass nicht mehr viele Sitze frei sind. Am meisten vermisse ich die Chance, ein Rennen gewinnen zu können. Mal schauen, wo es diese Möglichkeit für mich noch gibt." Ein Jahr Pause kommt für den Dänen nicht in Frage: "Ich hatte das schon einmal und hatte das Glück, den Weg zurückzufinden."
McLaren
Lando Norris ist seinen allerersten Formel-1-Test 2017 in Portimao gefahren. Seine Erinnerung: "Die vielen blinden Kurven, das Auf und Ab. In einem Formel-1-Auto ist das atemberaubend." Carlos Sainz bereitete sich im Simulator vor und stellte fest: "Es hat länger als üblich gedauert, bis ich die Ideallinien gefunden hatte. Es ist bei den vielen blinden Kurven sehr schwierig, in der digitalen Darstellung die Referenzpunkte zu finden."
Der Spanier mahnt im Dreikampf mit Racing Point und Renault an, dass McLaren in den letzten sechs Rennen nicht mehr so viele Punkte herschenken darf. "Wir hatte zu viele Probleme auf unterschiedlichen Ebenen, leider besonders am Anfang der Saison, als wir das beste Auto hatten und einen großen Vorsprung herausholen hätten können. Unsere Mitbewerber sind stärker geworden. Wir müssen unser Auto schneller und konstanter machen."
Sainz spricht auch die jüngsten Upgrades an, die nicht immer den Erfolg brachten, den man sich von ihnen erwartet hatte. McLaren wird auch in Portimao neue Teile ans Auto bringen und am Freitag testen. Teamchef Andreas Seidl bestätigt: "Wir bleiben der neuen Nase treu und setzen unser Upgrade-Programm weiter fort." Sainz sieht den Einsatz positiv: "Er zeigt, dass dieses Team alles gibt. Wie immer in der Formel 1 gibt es Teile, die funktionieren, und solche, die nicht das bringen, wie erhofft. Ich hoffe, wir sind in Portugal in der Lage, das bestmögliche Auto daraus auf die Räder zu stellen."
Alfa Romeo
Antonio Giovinazzi war bereits zwei Mal in Portimao. 2010 für ein Kartrennen, 2015 in der Formel 3. Der Italiener weiß aber auch: "In einem Formel 1 wird es eine völlig andere Strecke sein. Eine echte Achterbahn." Während Giovinazzi am Dienstag einige Portimao-Runden im Simulator abspulte, ist die Strecke an der Algarve für Kimi Räikkönen völlig neu.
Der erfahrenste Formel 1-Pilot bedauert: "Ich habe die Strecke von Portimao nicht in meinem Heim-Simulator." Ein Urteil will der Finne noch nicht abgeben. "Wichtig ist nicht, wie mir die Strecke gefällt, sondern ob sie gute Rennen bietet. Vom Layout sieht es so aus, als wäre Überholen nur mit einem großen Speed-Unterschied möglich. Aber das haben wir auch schon über Mugello gesagt. Am Ende war es wegen der vielen roten Flaggen besser als erwartet."
Giovinazzi hofft, dass ihm sein jüngster Formanstieg bessere Karten im Kampf um die letzten freien Cockpits für 2021 bringt. "Ich muss einfach so weitermachen, wie am Nürburgring. Mehr kann ich nicht tun. Es ist sowieso nicht meine Entscheidung, wie es mit mir weitergeht." Diese Entscheidung wird in Maranello getroffen.