Wie Deutsche auf Chinas Haifisch-Markt überleben

42 Lautsprecher, sieben Bild-Projektoren und ein 65-Zoll-Screen, der aufgerolltim Fahrzeugboden auf seinen Einsatz wartet, erschaffen im aktiven Zustand ein wirklich immersives Erlebnis, das man so aus dem Automobilsektor noch nicht kennt.
Shanghai hat sich zur wichtigsten Automesse der Welt entwickelt, über 100 Neuheiten stehen 2025 im Rampenlicht. Das beeindruckt die deutschen Hersteller, die selbst im Premierenfieber waren. Wie sie mit ihren Neuheiten Erfolg haben können.
Es durfte einem zu Recht chinesisch vorkommen, was der neue Mercedes-China-Chef Oliver Thöne zu Beginn seiner Rede von sich gab: Das Mercedes-Vorstandsmitglied hatte in Vorfeld eifrig geübt und absolvierte seine Antrittsrede zu Beginn in der Landessprache: Den Chinesen gefiel's und Thöne hatte die erste Hürde seiner anspruchsvollen Mission genommen: Mercedes wieder auf Erfolgskurs bringen in einer Zeit, in der man kaum noch Modelle mit dem Stern auf Shanghais Straßen sieht.
Neuer Mercedes-Anlauf bei E-Autos für China
Denn ausgerechnet hier, wo die Elektromobilität boomt, fehlt von EQE und EQS nahezu jede Spur. Umso engagierter zeigte sich Mercedes auf der Messe und schob mit der Langversion des neuen CLA (plus 10 cm mehr Radstand) ein wichtiges Volumenmodell ins Bühnenlicht, das die chinesischen Kunden mit hoher Effizienz, hoher Reichweite und Schnellladefunktion (800 Volt) überzeugen soll.
Einer der wichtigsten Hingucker war die Studie Vision V, die sehr seriennah zeigt, wie die nächste Van-Architektur von Mercedes aussieht: Luxus pur mit üppigem 65-Zoll-Cinema-Screen und Projektoren im Dachhimmel. Der mächtige Grill zeigt, wohin bei Mercedes die Reise stilistisch hingeht: zu einer modernen Interpretation des historischen Kühlergrills mit beleuchtetem Stern auf der Motorhaube. Die chinesische Kundschaft sah und staunte, zumal man auf den Ständen der lokalen Hersteller eher cleane Designs finden konnte.
Nur beim Design benötigen Chinesen noch Europäer
Bei der Pressekonferenz von Changan saß mit Klaus Zyciora ein neuer Designchef ganz vorn, der lange Jahre die Marke VW stilistisch verantwortet hat. Sein neuer Chef, CEO Zhu Huarong, ließ sich bei seiner Rede von einem Robohund assistieren, der später mit automatisierter Vorfreude über die Stände wuselte. Changan sieht in den eigenen Neuentwicklungen "intelligente Auto-Roboter", die sich bei Bedarf auf der Stelle drehen können und versteht die Luxusmarke Avatr als eine Co-Marke, die von Changang, Huawei und Batteriehersteller CATL quasi gemeinsam betrieben wird. So etwas gibt es in Deutschland nicht.
Wer über die Stände des riesigen Messegeländes zieht, merkt, dass oft verspielt anmutende Modelle der letzten Auto Shanghai einer ungeheuren Professionalität gewichen sind. Klar gibt es Autos mit Teddybärbezug wie bei Wuling, XPeng zeigt einen sechsrädrigen Lieferwagen mit Passagierdrohne an Bord. Aber das sind Ausnahmen. Nio präsentiert das neue Einstiegsmodell Firefly, das spätestens 2026 zu Preisen um die 20.000 Euro zu uns kommen soll. VW gibt mit ID.Aura, ID.Eva und ID.Evo einen Vorgeschmack von 30 neuen Modellen, die bis 2027 neu auf den Markt kommen. CATL und BYD stellen dagegen ein neues Schnellladekonzept in den Mittelpunkt, das Laden auf 100 Prozent in fünf Minuten ermöglichen soll. Wer durch die Autos zieht, findet immer große Bildschirmflächen und verglaste Dächer, die Licht in gut verarbeiteten Innenräumen geben.
Und wo sind all die Autokopien, über die wir Deutschen in der Vergangenheit gelacht haben? Die spielen keine Rolle mehr. Kein Wunder: Mit Wolfgang Egger (ehemals Alfa und Audi) und Stefan Sielaff (ehemals Audi, Mercedes und Bentley) sitzen auch bei den ganz großen Herstellern wie BYD und Geely deutsche Designchefs in Reihe eins. Wie überhaupt viel Deutsch auf den Gängen gesprochen wird – aber halt nicht der Bedeutung der deutschen Hersteller wegen. China hat sich deren Beste einverleibt, die Absorption deutscher Expertise macht die Autoindustrie noch stärker.