Chevrolet Corvette Stingray 454
Wenn man fast siebeneinhalb Liter Hubraum in eine so dünne Kunststoffhülle verpackt, dass das Leistungsgewicht knapp unter vier Kilogramm pro PS bleibt, verspricht der Tritt aufs Gaspedal zu einem besonderen Erlebnis zu werden: in einer offenen, 390 PS starken Corvette Stingray 454 von 1970.
Der Start ist ganz unspektakulär. Ein kleiner Dreh an einem zierlichen Schlüssel, ein wenig Druck aufs Gaspedal. Irgendwo weit vorn unter der Haube wummert der Big Block los. Gleich darauf brabbelt er mit knapp 600 Umdrehungen im Leerlauf mit der ungleichmäßigen Melodie seiner eigenwilligen Zündfolge.
Ab 1972 begannen die Abgas- und Sicherheitsbestimmungen in den USA der Stingray nach und nach sämtliche Zähne zu ziehen. Wahre Tiefpunkte der Corvette-Geschichte waren dann die Modelle ab Baujahr 75, die mit gerade mal 190 DIN-PS in der Basisversion durch die Gegend rollten. Der Big-Block-Motor entfiel.
Gasgeben ist fast überflüssig
So gesehen ist der Jahrgang 1970 für eine Fahrerprobung genau richtig. Ihr 7,4 Liter großes Triebwerk leistet zwar bei weitem keine 465 PS, aber im Fahrzeugbrief sind veritable 287 deutsche DIN-Kilowatt - also 390 PS - bei 4.100 Touren vermerkt.
Im Innenraum ist Wichtigste da, wo es hingehört. Die linke Hand fällt wie von selbst auf den kurzen Schalthebel. Auch die Kupplung lässt sich finden. Der erste Gang rastet knochig ein, Gas geben ist fast überflüssig. Einmal in Fahrt beginnt die Corvette den Asphalt aufzufressen.
Wie im Bob
Immer schneller verschwindet das graue Band zwischen den leuchtend gelben Wänden rechts und links der Motorhaube. So ähnlich müssen sich Bobpiloten fühlen. Auch der Schub des Motors erinnert an die Gnadenlosigkeit der Erdanziehung, wenn man sich ihr auf schmalen Stahlkufen in einer steilen Eisrinne aussetzt.
Schließlich kann eine Sieben-Liter-Corvette bei Bedarf immer noch ganz schön schnell um die Ecken pfeilen, wenn der Fahrer mit der superdirekten, aber gefühllosen Lenkung den richtigen Radius erwischt. Und sie kann immer noch - je nach Talent des Piloten - Hinterreifen oder Kupplung in Rauch aufgehen lassen.