Honda Accord 1.8i LS
Einige Änderungen des facegelifteten Honda Accord sind nur mit
hellseherischer Begabung auszumachen: Der neue 1,8 Liter-Motor
entspricht mit Ausnahme des Kolbenhubs exakt dem bekannten
Zweiliter-Aggregat.
Honda ist zwar eine japanische Marke, aber der Honda Accord deshalb noch lange kein japanisches Auto. Er wird, zumindest soweit er für den europäischen Markt bestimmt ist, seit 1993 im englischen Honda- Werk Swindon zusammengebaut, und zwar unter weitgehender Verwendung von Teilen europäischer Herkunft. Mit der nun vorgenommenen Überarbeitung des beliebten Mittelklassemodells stieg dieser sogenannte local content sogar auf über 90 Prozent. Öffnet man die Motorhaube des neuen 1.8i LS, findet man die Bestätigung: Die serienmäßige Zahnstangen-Servolenkung, gegenüber der seitherigen Ausführung um 2,5 Kilogramm leichter geworden, ist made in Europe, das ABS stammt von Bosch, und auf dem Luftfiltergehäuse prangt der Name des schon vor Jahren auch in die Produktion von Kunststoffteilen eingestiegenen Siemens- Konzerns. Was aber selbst dem Honda- Kenner verborgen bleibt, ist der neue 1,8 Liter große Leichtmetall- Motor mit 115 PS. Das ist kein Wunder, schließlich gleicht er äußerlich dem vom Vormodell unverändert übernommenen, zwei Liter großen 131 PS-Aggregat. Für die Verkleinerung des Hubraums um zehn Prozent zeichnet allein eine neue Kurbelwelle mit 81,5 gegenüber 88 Millimeter Hub verantwortlich.
Damit ist der Neue der einzige Kurzhuber dieser Motorenfamilie, denn selbst das nun im Top-Accord eingeführte VTEC-Triebwerk mit variabler Ventilsteuerung und 150 PS holt seinen Hubraum von 2,2 Liter bei unveränderter Bohrung von 85 Millimeter nur über einen auf stattliche 95 Millimeter angewachsenen Hub. Obwohl das beim kleinen 1.8i nicht unbedingt notwendig gewesen wäre, hat auch er die zwei Ausgleichswellen des großen Bruders geerbt. Das schlägt sich in einer sehr guten Laufkultur und in einem unbeschwerten Drehvermögen nieder. Der größere und in puncto Leistung und Drehmoment spürbar überlegene Zweiliter-Motor läuft merklich rauher. Wer flott vorankommen will, findet freilich, dass sich dieser Unterschied nivelliert, zumindest akustisch. Der Kleine entwickelt nämlich erst ab 4000 Umdrehungen jenen kräftigen Vortrieb, den der zumeist sportlich eingestellte Honda-Kunde schätzt. Was dabei an Fahrleistungen herauskommt – zwölf Sekunden für den Spurt auf 100 km/h und 195 km/h Höchstgeschwindigkeit – braucht sich vor der Konkurrenz in dieser Klasse nicht zu verstecken. Dass im Accord keine störenden Dröhngeräusche auftreten, liegt aber nicht nur an dem laufruhigen Motor. Ein geänderter Ansaugluftsammler und die Auskleidung des Motorraums spielen dabei ebenso eine Rolle wie ein Kniff, der ganz im verborgenen wirkt: Ein Spezialschaumstoff in den Bund C-Säulen, der sich durch die Erwärmung beim Lackierprozess ausdehnt und so die Hohlräume satt ausfüllt, soll eine Geräuschübertragung in den Dachbereich unterbinden. Die vom Vormodell unverändert übernommene Bodengruppe bildet, so Honda, die Basis einer verwindungssteifen Karosserie mit ausgezeichnetem Aufprallschutz. Die Abwesenheit von Zirp- und Knarrgeräuschen lässt tatsächlich auf ein stabiles Accord-Gehäuse schließen und hoffen, dass auch das Crashverhalten besser ist als beim jetzt abgelösten Honda Civic, der schon subjektiv labil und zerbrechlich wirkte.
Mehr als vier Personen sollten sich nur ausnahmsweise in den Accord zwängen, denn wer hinten in der Mitte sitzt, muss nicht nur auf einem Hügel zwischen zwei ausgeformten Sitzkuhlen balancieren, sondern sich auch noch wegen der dort installierten Innenleuchte mit einer verringerten Kopffreiheit arrangieren. Zu viert reist man hingegen, was die räumliche Unterbringung angeht, entspannt und kommod, es herrscht weder Enge noch Platz im Überfluss, was das Format des Accord sympathisch macht. Das gilt auch für den großen und glattflächigen Kofferraum, dessen Deckel freilich weder Verkleidung noch Zuziehgriff bietet und stattdessen mit den scharfen Kanten nackten Blechs aufwartet. Die Rücksitzlehne ist ganz oder teilweise umklappbar, was auch den Transport sperriger Gepäckstücke erlaubt. Allerdings wird diese Tugend etwas eingeschränkt durch die Tatsache, dass die gebotene Durchreiche eher das Format eines lang gestreckten Ovals aufweist, was zwar der Karosseriesteifigkeit förderlich ist, nicht aber dem praktischen Nutzen. Der Fahrer findet einen nach Honda-Manier wohlgeordneten Arbeitsplatz vor. Der in der Höhe verstellbare Sitz bietet eine gute Sitzposition, ausreichend Seitenhalt und Komfort, die Karosserie ist übersichtlich, die Lenkungleichtgängig und mit einem guten Fahrbahnkontakt gesegnet. Die Bedienung gibt keine Rätsel auf, und die ungewöhnlich großen Rundinstrumente würden auch in einem BMW eine gute Figur machen. Ein Ergonomie- Manko leistet sich jedoch das serienmäßige Radio: Die Tasten sind nicht beleuchtet, nur die nichts sagenden Stege dazwischen.
Das mit Doppelquerlenkern vorn und hinten vergleichsweise aufwendig konstruierte Fahrwerk verbucht mit einem leicht untersteuernden Fahrverhalten und unkritischem Verhalten im Grenzbereich Sicherheitspluspunkte. Leider kann die Bremsanlage (Scheiben ringsum, vorne innen belüftet) da nicht mithalten. Sie reagiert zwar schon auf leichten Pedaldruck mit kräftiger Verzögerung und lässt sich gut dosieren, aber das extreme Fading ist nicht nur bei einem sportlich ausgelegten Auto mehr als nur ein Schönheitsfehler. Nur noch 5,7 m/s2 nach zehn Vollbremsungen mit voll beladenem Wagen aus Tempo 100 sind schon ein ernstes Sicherheitsrisiko. Dem mag der Fahrer durch vorausschauende Fahrweise noch vorbeugen können, bei dem anderen grundsätzlichen Manko des Honda Accord ist das nicht möglich: beim schlechten Federungskomfort. Die laut Honda-Text gelungene Synthese aus sportlich-straffer und dennoch komfortbetonter Abstimmung enttäuscht im täglichen Fahrbetrieb. Nicht nur das Schluckvermögen der Federung ist sowohl bei langen als auch kurzen Bodenwellen eingeschränkt, sondern selbst auf gut ausgebauten Straßen quält der Honda seine Insassen mit andauerndem Stuckern. So erweist sich der Komfortmangel geradezu als Achillesferse des ansonsten rundum gelungen wirkenden Euro-Japaners – genau wie beim Vormodell.